3 Tage, 14 Stunden und 15 Minuten. Das ist die offizielle Zeit, die das Team foahrmaarunde benötigt hat, Österreich im Uhrzeigersinn entlang der Grenze zu umrunden. Die 2.200 Kilometer und 30.000 Höhenmeter im Rahmen des Race Around Austria sind Geschichte und nun bei den Fahrer*innen und Begleiter*innen als persönliche Geschichten und Erinnerungen wach und jederzeit abrufbar. Denn nichts davon war selbstverständlich und letztendlich eine beeindruckende Leistung des gesamten Betreuer-Teams und natürlich von Ariane und ihrer drei Musketiere selbst. Arianes Krankheit war nicht unbedingt die beste Voraussetzung dafür. Ihr Wille dafür umso mehr. Hoch dosierter Sport als Medizin eben und die Überzeugung, dass Grenzen nur im Kopf bestehen. Es waren intensive 86 Stunden voller Fragezeichen und mit einem erlösenden und äußerst emotionalen Zieleinlauf in St. Georgen im Attergau. Arianes Wunsch Österreich mit dem Rennrad trotz Krankheit zu umrunden ist in Erfüllung gegangen.
Zwischen Schulmedizin und kleinem Wunder.
Arianes Weg vor dem Race Around Austria und während des Rennens ist schwer zu beschreiben. Er war ein hin und her zwischen schulmedizinischer Therapie und kleinen Wundern, die alle immer wieder zum Staunen gebracht haben. Ein Mix aus Eigensinn, Sturheit und großer aufopfernder Leidenschaft fürs Rennradfahren. Ariane geht gerne mit dem Kopf durch die Wand. Sie nimmt kaum Abkürzungen und wählt oft den schwierigeren, steinigeren Weg. Genau dieser eigene und besondere Weg hat sie rund um Österreich geführt. Stets im Schutzfeld ihrer „Granny“ oben im Himmel. Jetzt einige Tage und viele Freudentränen später ist auch bei ihr der Alltag wieder eingekehrt. Einer, der um viele Facetten reicher geworden ist.
Die letzten Vorbereitungen mit Hindernis.
Die letzten Tage vor dem Start waren für Ariane nicht ganz unproblematisch. Eine Darminfektion hatte ihre komplette Vorbereitung über Wochen auf den Kopf gestellt und sie vor ein schier unlösbares Dilemma gestellt. „Was soll, was kann und was darf ich essen? Und was von all dem bleibt mir im Körper?“ Als wäre die Sklerodermie-Erkrankung nicht schon Herausforderung genug. Zwei Tage vor dem Start offenbarte Ariane ihren Fahrerkollegen dann die Hiobsbotschaft, gar nicht an den Start zu gehen und Ersatzfahrer Peter den Vortritt zu lassen. Diese Entscheidung wurde aber vom Fahrerteam einstimmig abgeschmettert. Gemeinsam starten und gemeinsam ankommen – alles andere zählte nicht. Es war Mittwoch, 11. August um 19:06 Uhr, als das Team zu Viert die Startrampe verlassen hat.
Mit dabei eine 17-köpfige Betreuer-Crew. Aufgeteilt in zwei Teams. Florian, Daniel, Astrid, Vici und Evi mit Ariane und Martin, Andreas, Mario, Martin, Peter und Sabine mit Siggi und Cristian. Dazu noch Patricia, Irmi, Heinz Peter, Ewald und Andrea mit anderen wichtigen Aufgaben. Die Strategien waren festgelegt. Jedes 2er-Team fährt einen festgelegten Abschnitt und übergibt dann dem anderen Team. Innerhalb der Teams wurde dann nach Topografie, Kraft, Lust und Laune gewechselt.
Arianes Highlights im Rennen.
Beide Teams hatten einen strengen Marschplan. Galt es doch das Zeitlimit von 92 Stunden nicht zu überschreiten. Dazu die Zeitlimits in Halbenrain (33 h), am Hochtor (52 h) und Bludenz (70 h). Diese Limits waren zum Glück nie in Gefahr, denn beide Teams konnten auf den ersten Streckenabschnitten bereits ein Zeitpolster herausfahren. Dieser Zeitvorteil hat einiges erleichtert und auch Ariane viel an Druck weggenommen. So konnte Ariane auch ihren Heimvorteil im Burgenland so richtig genießen und sich für die zahlreichen Fans an der Strecke insbesondere in Rust Zeit nehmen. Der Rest liest sich wie ein Märchen. Kilometer für Kilometer konnte Ariane ihr Pensum abspulen. Bei Tag und bei Nacht. Im Morgenrot und in der Abenddämmerung. Egal ob im hügeligen und finsteren Mühlviertel, im windigen Burgenland, der südsteirischen Weinstraße inklusive Soboth, der Monumente Silvretta und Großglockner und des ach so geliebten Dientner Sattel am Hochkönig.
Die Ausblicke oben und die Vorfreude aufs Abfahren haben sie stets beflügelt. Tiefpunkte sind keine bekannt und wurden auch keine genannt.
Du bist, was du isst. Auch im Sport.
Sport im Allgemeinen aber auch Sport als Medizin funktioniert nur so lange der Körper auch die nötige Energie hat, seinen Motor in Bewegung zu setzen. Ohne „Benzin“, läuft der Motor nicht. Nicht einmal der PS-stärkste. Ariane wusste aus ihrer Vorgeschichte, dass ihr Tank nie voll sein konnte bzw. sich schnell entleeren würde. Darminfektion sei Dank. Den Rest erledigte der von der Sklerodermie-Erkrankung angegriffene Magen. Es galt also, ihrem Motor soviel Energie wie nötig, aber auch so wenig Energie wie möglich zuzuführen, um das System nicht zu überlasten, aber auch nicht zum Stillstand zu bringen. Der Umstand, dass die „Mahlzeiten“ plötzlich zu ungewohnten Zeiten und äußerst unregelmäßig eingenommen werden mussten, erschwerte alles nochmals um einiges.
Arianes Motorenmanagement wurde Ewald zugeteilt. Der Psychotherapeut und Hobby-Koch mit jahrelanger Camping-Erfahrung konnte (und musste) Ariane bei Tag und bei Nacht mit seiner mobilen Küche bekochen und versorgen. Streng nach Plan und mit dem, was Ariane vertragen konnte. Mit einigen Ausnahmen namens Extrawurst-Semmel mit Käse und Gurkerl. Kaffee, reichlich Kaffee gab es in diesem Zusammenhang auch. Für die gesamte Crew. Die im Training so beliebten Honig-Energiegels von aerobee haben sich für Ariane als „Lückenfüller“ bestens bewährt und beim Aufleuchten der Reservelampe die Motorleistung bis zur nächsten Tank- und Kochstelle konstant hochgehalten. Ihr Plan war, mehr davon zu nehmen, doch die Umstände haben es nicht erlaubt. Fragen zu den aerobee Energiegels bitte an Teamfahrer Cristian. Er schwört(e) und hört(e) auf diese kleinen Honigbooster.
Medizinischer Nonsens als Adrenalinkick.
Medizinisch gesehen ist das Race Around Austria wohl keine gute Idee. Sowohl für die Fahrer*innen als auch für die Betreuer*innen. Denn Schlafentzug und Stress sind nicht gesund. Trotzdem waren die schlaflosen Nächte für alle eine Art Adrenalinkick. „Zamwachsen, zsamhalten und zsamruckn“ – in wachen wie in schlaflosen Zeiten. Geschlafen haben Fahrer*innen und Crew wenig. Wenn, dann in besonderen Locations. Im OÖ Studentenwerk in Bad Leonfelden, in der Sportmittelschule Laa an der Thaya, in den Umkleidekabinen des SV Rohrbach, in der Turnhalle der Volksschule in Halbenrain, im Vereinshaus des LRC Dolomiten, im Autohaus Frischmann in Ötz, in der Propstei St. Gerold und beim Weißen Kreuz in Bischofshofen. Trainingsmatten, Luftmatratzen oder Feldbetten – es gab nie einen lauten Einwand.
Zu erwähnen gilt es auch die Tatsache, dass das Team ohne Defekt durchgekommen ist. Weder beim Menschen, noch beim Material. Abgesehen vom Pacecar, dessen Getriebe kurz vor der Aufgabe gestanden ist. Und das trotz Hitze und Regen. Wobei letzterer sich kaum bemerkbar gemacht hatte. Cristian wurde bei der Abfahrt vom Fuschertörl nass, Ariane kurz bei der Auffahrt zum Hochtor und nächtlich im Inntal. Ansonsten bestes Wetter in einem so stürmischen Sommer. Glück gehabt. Großes Wetterglück. Dickes Lob an dieser Stelle auch an den Team-Ausstatter. Die Rad- und Freizeitbekleidung für Fahrer*innen und Betreuer*innen war nicht nur qualitativ Top, sondern auch optisch ein Highlight. Auffallen zum leistbaren Preis. Ein wunderbares Credo.
Arianes Gedanken.
Ariane haben am Ende die Worte gefehlt, bis sie sich zu ihrem legendären „Geiler Scheiß“ verleiten hat lassen. Nicht nur sie ist überwältigt. Das gesamte Team hat dieses Abenteuer genossen und intensiv gelebt. Die Ungewissheit zu Beginn, die einzelnen Stunden dazwischen und am Ende der tränenreiche Zieleinlauf. Sport als Medizin für Körper und für die Seele. Alle werden sie noch lange davon zehren können. Von den Erlebnissen und von den Momenten, die das Race Around Austria so einzigartig macht.
„Ich kann meine Dankbarkeit kaum in Worte fassen. Was auf dieser Reise von jedem einzelnen geleistet worden ist, mir meinen Traum zu erfüllen, ist einzigartig. Großartig. Auf dieses Ereignis werde ich immer zurückblicken können. Alle jene, die das ermöglicht haben, ewig in mein Herzen einschließen.“
Ariane schaut aber bereits weiter in die Zukunft. Ihre Diagnose vor einigen Jahren war hart. Sie hat gewusst, dass ihr die Sklerodermie viel nehmen wird. Durch ihren Willen, nicht aufzugeben, hat sie in den letzten 4 Jahren aber auch viel bekommen. Dinge, die man nicht mit Geld bezahlen kann. Dafür ist Ariane dankbar. Ariane wird nie aufhören, sich gegen die Krankheit stark zu machen. Gemeinsam mit ihren Freund’innen und ihrem geliebten Wili.
Sport für einen guten Zweck.
Das Abenteuer Race Around Austria ist zu Ende. Das Projekt #foahrmaarunde geht aber weiter. Sport als Medizin ist keine Eintagsfliege. Es ist das Arianes Motto. Und auch der Name ihres Vereins. Ariane wird sich in Zukunft weiterhin dafür einsetzen, dass Sport als Alternative zur Medizin noch mehr Beachtung bekommen soll. Sport stärkt Geist, Körper und Seele. Das ist nichts Neues. Trotzdem wird dies vernachlässigt. Auch in Zeiten einer globalen Pandemie.
Das Projekt „Race Around Austria“ hat gezeigt, was Menschen bewegen können. Die Anzahl an Unterstützer*innen und Sponsoren war groß. Ein herzliches Danke dafür. Das Team hat mit diesem Projekt Spenden gesammelt. Zugunsten der Sklerodermie-Forschung. Um zu helfen, damit eines Tages diese Krankheit heilbar sein wird. Der Reinerlös wird demnächst an Frau Priv. Doz. Dr. Florentine Moazed übergeben.
PS: Sklerodermie ist eine noch unerforschte Krankheit. Ariane – Verein zur Förderung des Sports als Medizin unterstützt die Sklerodermie-Forschung. Spendenkonto: AT77 1200 0100 3240 3916.
Danke.